Wenig Rat, viele Ratgeber

Avatar von jakob68

Die Leute sind schlau, smart, klug und helle. In Norddeutschland auch plietsch. Intelligent sind sie am laufenden Meter. Maschinen können ebenfalls angeblich intelligent sein, künstlich intelligent.  Nur eines sind weder Menschen noch Maschinen: weise.

Von Gerald Beyrodt

Ich habe unter Freunden und Kolleginnen rumgefragt: „Kennst Du jemand, der weise ist?“ Alle wussten nur Gestalten aus Märchen, Mythen, Religionen und Disneyfilmen. Keiner wusste jemand aus dem wirklichen Leben.

Da ist die Weisheit irgendwie ausgestorben, außer beim Zahnarzt, bevor er einem die Weisheitszähne zieht. Ich weiß auch, warum die Weisheit so auf dem Rückmarsch ist.

Weil Weisheit nämlich neben dem bloßen Klugsein bedeutet: mit den Korken und Schicksalsschlägen des Leben klarzukommen, zu wissen, wie man auch wirklich blöde Erlebnisse wegstecken kann, einen Plan zu haben vom Leben. Aber wer hat schon das Gefühl, einen Plan zu haben? Die meisten, die ich kenne, fühlen sich eher planlos.

Und weil sich alle alle so schön planlos fühlen, verkaufen sich Ratgeberbücher und -Seminare so affenartig gut. Je weniger Rat, desto mehr Ratgeber. Je weniger Weisheit, desto mehr Weisheitslehre.

Weisheit, sagt der christliche Weisheitslehrer Augustin, sei „letztlich nichts anderes als das Maß unseres Geistes, wodurch dieser im Gleichgewicht gehalten wird, damit er weder ins Übermaß ausschweife, noch in die Unzulänglichkeit falle.“ Soweit Augustin.

Dazu passt, dass die Wirtschaftsweisen die Wachstumsprognose diese Woche auf 0, 0 Prozent herabgesetzt haben. Nicht zu viel, nicht zu wenig, kein Übermaß, keine Unzulänglichkeit, reines Gleichgewicht. Null komma null.

Naja, vielleicht sind 0,0 Prozent Wachstum doch nicht so dolle. Aber interessant finde ich es schon, dass es Wirtschaftsweise gibt. So nennt der Volksmund den, Achtung, „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“.

Neben Mythen, Märchen und Religionen ist die Wirtschaft offenbar ein Hort der Weisheit. Diese Wirtschaftler sind die letzten, die noch einen Plan haben vom größeren Zusammenhang.


3 Antworten

  1. Leopoldo Lipstein

    sehr witzig geschrieben, gefällt mir sehr gut!

    Like

  2. Angelika

    Weisheit – das ist für mich vertehen mit dem Herzen. Erst habe ich ‚gedacht‘ dann ‚gefühlt‘ , beides verbunden und es damit als Ganzes erkannt – jenseits von Urteil und Wertung.

    Like

  3. horst kopka

    na, dann hoffen wir mal, daß leo xiv als augustiner 1 weiser ist.

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu horst kopka Antwort abbrechen