Es war nach einem Vortrag in einer christlichen Akademie über israelbezogenen Antisemitismus. Ich habe mich bemüht zu erklären, was der Unterschied zwischen Kritik und Hetze ist, dass dieses undifferenzierte Verdammen nicht ernsthaft als Kritik durchgehen kann.
Von Gerald Beyrodt
Nach dem Vortrag spricht mich ein älterer Herr an und sagt: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie sicher in Deutschland leben können.“ Ich bemühe mich zu lächeln und irgendetwas Verbindliches zu sagen,, denn ich will ihn nicht verprellen. Ich möchte eigentlich sagen: „Dann tun Sie doch was dafür. Deshalb habe ich den Vortrag gehalten.“
Ich möchte mir vorstellen, dass mein Vortrag bei ihm irgend etwas gebracht hat, dass er ihn irgendwie zum Denken angeregt oder berührt hat. Vielleicht zeigt es der Herr nur nicht. Mir ist schon klar: Er will nett sein. Den Hintersinn seiner Worte bemerkt er vermutlich nicht. Und bei solchen Veranstaltungen haben die Menschen immer wieder Probleme, die passenden Worte zu finden.
Aber ich bin in Deutschland geboren. Ich bin hier nicht zu Gast. Ich spreche keine Sprache besser als Deutsch. Ich komme von keinem anderen Stern. Auch meine Mutter, von der ich mein Judentum habe, ist hier geboren, wurde aber als in ein anderes Land gebracht, um zu überleben.
Dass ich öffentlich über Antisemitismus und über mein Judentum gesprochen habe, scheint mich aber in den Augen mancher zu einem höchstens entfernt Zugehörigen zu machen – einem Mit-Bürger, einem Auch-noch-Bürger. „Deutsche sind grundsätzlich christlich, und wenn nicht chrlistich, dann religionslos“, scheinen viele zu denken. Wann werden Menschen wie der Herr begreifen, dass es auch in ihren Händen liegt, ob jüdische Menschen wie ich hier sicher leben können?

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