Eine Kollegin von mir verharmlost Reichsbürger. Und findet es merkwürdig, wenn neben AfD-Ständen Polizisten stehen. Es sei doch alles ganz friedlich. Und ich bin ratlos.
Von Gerald Beyrodt
Man kann mit der Kollegin prima rumalbern. Oder auch lästern. Oft findet sie, dass die Menschen in der Sonne zu wenig anziehen und dass sie sich zu wenig waschen. Häufig dachte ich schon: Das ist eine wirklich intelligente Frau. Kein Zweifel, die Kollegin ist mir sympathisch.
Doch als ich sie gestern in der Fußgängerzone traf, meinte sie: „Da drüben ist ein Stand von der AfD. Da stehen ungefähr zehn Polizisten. Ich weiß gar nicht warum. Geht doch alles ganz friedlich zu.“
Über schwerbewaffnete bei Hausdurchsuchungen bei Reichsbürgern hat sie sich auch schon kaputtgelacht. Das sei doch alles übertrieben. Dazu hatte sie Internetforen geöffnet. Auch dort machte man sich lustig. Vergessen war der Polizist, den ein Reichsbürger erschossen hat. Alles ganz harmlos.
Und natürlich hat sie mich gefragt, ob ich Antisemitismus empfinde. Die Frage war eingebettet in eine Erzählung. Sie habe eine Statistik gelesen, dass jeder Fünfte in Deutschland antisemitische Ansichten habe. Sie habe herumgefragt, ob in ihrem Bekanntenkreis jemand antisemitische Gedanken habe. Niemand.
Ich habe gesagt, wo ich schon Antisemitisches erlebt habe. Ich habe gehört, wie sich Leute beklagten, dieses und jene Mietshaus gehörte einem Juden. Antwort: „Ich weiß ja, wie die sind.“ Und ich habe Internetforen gesehen, in denen suggeriert wurde, dass die Schändung jüdischer Friedhöfe eine gute Sache sei. Die Kollegin war durchaus betroffen, das zu hören.
Die Kollegin ist mir sympathisch. Ich kann mit ihr gut lachen. Ich wünschte, es wäre wie im deutschen Fernsehen: Da gibt es Heldinnen und Schurken. Was dazwischen? Eher nicht. Und die Schurken erkennst du auf drei Kilometer Entfernung.

Hinterlasse einen Kommentar