Alles wieder gut

Männer vergessen ja dem Klischee zufolge häufig den Hochzeitstag. In meinem Fall trifft das Klischee zu. Ich vergesse fast immer unseren Hochzeitstag.

Eine Glosse von Gerald Beyrodt

Ist aber nicht schlimm, denn ich bin mit einem Mann verheiratet. Und Männer vergessen, wie gesagt, häufiger mal den Hochzeitstag. Weshalb auch mein Mann häufig unseren Hochzeitstag vergisst.

Meist denkt meine Schwiegermutter an den Hochzeitstag und schreibt meinem Mann eine Glückwunsch-Whatsapp. Wenn ich abends nach Hause komme, sagt er freudestrahlend: „Weißt du, was heute für ein Tag ist?“ Das weiß ich dann immer.

Denn ich vergesse zwar den Hochzeitstag, aber ich weiß auch, dass ich ihn vergesse, und rate daher immer richtig auf die Frage, was heute wohl für ein Tag ist.

Wir haben uns damals den Termin für die Heirat so schön ausgesucht, dachten wir. Damals hieß die Heirat übrigens noch Verpartnerung. Auf der Urkunde steht: „Partnerschaft auf Lebenszeit“. Was irgendwie nicht nach Freude, sondern nach Haftstrafe klang.

Der Termin lag hervorragend. Wir waren aus dem Urlaub zurück. Und wir konnten beide am selben Ort sein, was nicht selbstverständlich war. Denn damals hat mein Mann in Hannover gearbeitet und ich in Berlin.

Aber ich hatte die Rechnung ohne die jüdische Tradition gemacht. Denn der jüdischen Tradition zufolge heiratet man nicht in der Omer-Zeit.

Allerdings kann man das so pauschal nicht sagen, eigentlich. Denn nur manche meinen, dass man während der gesamten Omer-Zeit nicht heiratet. Andere sagen, man solle nur bis Lag baOmer nicht heiraten. Wiederum andere finden, dass man in der Omer-Zeit überwiegend nicht heiratet, an Lag baOmer aber wohl. Alles klar?

Wir lagen in dem Teil der Omer-Zeit vor Lag baOmer. Eine Freundin meinte, wenn einem das Judentum wichtig sei, dann achte man auf solche Fristen.

Eigentlich war und ist mir das Judentum wichtig. Als wir den Termin für die Heirat geplant haben, bin ich überhaupt nicht auf die Frage gekommen, ob das jüdisch irgendwie unpassend sein könnte.

Ein Grund, weshalb man in der Omer-Zeit nicht heiraten soll (ja ja, oder in bestimmten Teilen der Omer-Zeit) besteht in dem Umstand, dass in der Zeit unheimlich viele Schüler von Rabbi Akiba an einer Seuche gestorben sind. Der Überlieferung zufolge wurden sie von der Seuche heimgesucht, weil sie so zerstritten waren.

Mein Mann und ich sind hingegen überhaupt nicht zerstritten. In schönster Harmonie vergessen wir Jahr für Jahr unseren Hochzeitstag. Was doch auch eine Art ist, die Schüler von Rabbi Akiba zu ehren.