„Geht gar nicht“

Avatar von jakob68

Kleine selbstbestimmte jüdische Gemeinden sind was Tolles. Vor allem: weil sie so selbstbestimmt sind. Allerdings hat dort jeder (w.,m., d.) eine Meinung. Eine Meinung zu haben äußert sich meistens in dem Satz: „Geht gar nicht.“

Eine Glosse von Gerald Beyrodt

Die Farbe des Toravorhanges geht gar nicht. Findet mindestens ein einzelner Beter und trägt lautstark vor, er soll solle blau und nicht grün sein. Er, der Vorhang, nicht er, der Beter.

Vielleicht soll der Vorhang auch lieber grün und nicht blau sein. Fest steht: So, wie er ist, geht es gar nicht.


Letzteres kann man als eine Art Refrain ansehen: „So wie ist, geht es gar nicht.“ Gerne gehört in besonders selbstbestimmten egalitären Gemeinden. Diese Gemeinden sind bestimmt ein Modell für die Zukunft und ganz toll, weil hierarchiearm.


Aber es hat auch jeder (m., w., d.) eine Meinung. Und eine Meinung haben bedeutet: „Dies und das geht gar nicht und muss ganz anders sein (nämlich so, wie ich es sage).“ Ausschlaggebend ist immer der/die/dey-jenige, der/die/dey gerade spricht, ist doch klar.


So kann es sein, dass es die eine Person unmöglich findet, wenn Gottesdienste online übertragen werden, und dass es die andere Person unmöglich findet, wenn eine Vorbeterin oder ein Vorbeter die online Anwesenden nicht mit zum Minjan zählt.


Unmöglich ist das! So, als ob man gar nicht da wäre! Da muss man selbstverständlich ein halbes Dutzend verärgerte Kommentare im Chat posten. Denn man wird quasi zur rechtlosen Person gemacht. Und nein, selbstverständlich darf das nicht die Vorbeterin oder der Vorbeter entscheiden. Und ja, da muss man selbstverständlich poltern.


Immer ist es unmöglich, immer geht es gar nicht, immer sind alle auf hundertachtzig. Man (m., w., d.) könnte jetzt gute Vorsätze fassen und alles ein bisschen toleranter und gelassener betrachten. Aber man (w., m., d.) soll nichts Unmögliches von sich verlangen.

In egalitären Gemeinden gehört das Unmöglich-Finden zur USP. Die Zukunft ist meistens ziemlich ungewiss. Aber eines ist mal klar: Das Poltern geht weiter.


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