Eine Glosse von Gerald Beyrodt
Manchmal treffen einen die Unsinn- und Sinnfragen ganz unvermittelt. Wie mich neulich in einem ICE im Bordrestaurant. Ich sitze gerade an den Schaumresten meines Cappuccinos. Da höre ich ein Gespräch zweier Servicekräfte mit. Oder sagt man immer noch: zweier Kellner?
Jedenfalls sagt der eine: „Was wäre, wenn es außerhalb von uns etwas gibt?“
Ich denke: Klar gibt es etwas außerhalb von mir. Die Cappuccinotasse. Den Zug, das Chaos im Gang und überhaupt.
Der andere Kellner fragt: „Was meinst Du?“
„Eine Struktur, eine Intelligenz oder so.“
Struktur hat mein Cappuccinoschaum auch. Über die Intelligenz des Schaums will ich mir kein Urteil erlauben.
Er fährt fort: „Also, ich meine jetzt nicht Gott oder so, aber eine Struktur, eine Intelligenz halt, etwas außerhalb von uns. Zum Beispiel im Weltall oder so.“
Das Gespräch geht noch eine ganze Zeit weiter. Er meint nicht Gott, aber irgendwie meint er doch Gott. Die Argumentation kommt mir so löchrig und luftig vor wie mein nicht mehr ganz frischer Cappuccino-Schaum.
Der andere Kellner erzählt dann, dass es darauf ankomme, ein guter Mensch zu sein. Das man sich aber keine Belohnung erhoffen soll. Man solle das Gute tun, weil es gut sei. So sei das im Islam. Und er findet: „Dieses Leben ist nur ein Test. Danach werden wir für unsere Taten beurteilt.“
Ich muss unwillkürlich an die Leute denken, die immer „Test, Test, Test“ ins Mikrofon rufen, wenn sie Verstärkeranlagen einrichten.
Wenn dieses Leben nur ein Test ist, heißt das ja, wir sind jetzt bestenfalls in der Generalprobe. Und die Premiere findet erst nach dem Tod statt. Ich habe nichts gegen Generalproben und Premieren. Aber man sollte doch wissen, in welchem Theater man spielt. Ob es die Bühne überhaupt gibt.
Ich habe auch nichts gegen das Leben nach dem Tod, aber ich kann es mir so furchtbar schlecht vorstellen. Ich persönlich bin für das Leben vor dem Tod. Da weiß man mehr drüber, sage ich mir. Und weil das Leben vor dem Tod echt schön ist, kriege ich jetzt ganz spontan wieder Cappuccino-Durst.
Alles wieder gut 
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