Glosse von Gerald Beyrodt
Immer mal wieder werde ich nach dem Messias gefragt. Welche Rolle er denn im Judentum spielt. Und ich merke: In der Messias-Frage bin ich irgendwie blockiert.
Vermutlich spielt er in den Gemeinden, die ich so besuche, keine besonders große. Kaum jemals ist die Rede davon. Ich weiß natürlich: Im jüdischen Gebetbuch stehen die 13 Glaubensgrundsätze des Religionsphilosophen Maimonides.
Und aus denen lernen wir: Wir glauben an den Messias, aber er kommt später. Oder auch: Wir glauben an den Messias, obwohl er sich verspätet. Und eigentlich ist quasi stündlich mit dem Messias zu rechnen. Irgendwie scheint mir schon aus den Worten des mittelalterlichen Maimonides der Frust und der Verdruss in der ganzen Messias-Frage zu sprechen.
Frust und Verdruss empfinde auch ich über die ganze Messias-Frage. Weil ich über den Messias auch nicht so genau Bescheid weiß. Und weil ich argwöhne, dass hinter der Frage eine andere Frage lauert: Wie haltet ihr es mit Jesus Christus?
Irgendwie scheint es für Christen enorm wichtig zu sein, dass Jesus Christus der Messias ist. Das ist ziemlich lustig, finde ich. Denn Christen haben in der Regel eine genauso unklare Vorstellung wie ich, wer oder was der Messias sein soll. Warum und wieso Jesus Christus dringend der Gesalbte sein muss, was der Mann überhaupt mit Salbe zu tun hat, ist für die meisten absolut unklar. Klar ist nur: Es ist ganz wichtig, dass er der Messias ist. So viele Fragen, so wenig Salbe.
Eine Zeitlang habe ich zu der ganzen Messias-Frage gesagt, dass es dazu im Judentum dazu unterschiedliche Meinungen gibt. Aber das kam nicht gut an. Klingt ja auch wie eine dumme Ausrede. Ist aber trotzdem wahr.
Die Vorstellung vom Messias war im Judentum zunächst, dass aus dem Hause David ein König kommt, der uns zurück in unser Land bringt und die jüdische Königsherrschaft wieder aufrichtet. Das verbindet sich mit Vorstellungen von der Endzeit. Dann kam die Vorstellung dazu, dass er auch noch Frieden für die ganze Welt bringt. Die Christen scheinen besonders auf Letzteres abzufahren.
Neulich habe ich mir was zurechtgelegt. Ich sage: Mit den Juden und dem Messias ist es wie früher mit den Nordrhein-Westfalen und der deutschen Wiedervereinigung. Man wusste vage, dass es so etwas geben könnte – irgendwann in der späteren Zukunft. Man hat auch behauptet, dass man sich die Wiederverenigiung wünscht. Mindestens pro forma.
Aber es hat nicht besonders interessiert, a) weil man die Zukunft immer unklar ist und b) weil man sich mit Städten wie Gera oder Stralsund so verbunden fühlte wie mit mit Tai Pee, wenn überhaupt. Und so, sage ich jetzt, sehen Juden die Sache mit dem Messias auch. Irgendwann in der Zukunft. Schauen wa mal, dann sehn wa mal.
Und wie ich selber den Messias sehe? werde ich dann gefragt. Das ist mir immer unangenehm. Ich habe da irgendwie keine Meinung und im übrigen eine Blockade, siehe oben. Ich bin nicht dafür und nicht dagegen. Schaun wa mal, dann sehn wa mal.
Ich weiß wohl, dass die Bewegung, der ich mich am nächsten fühle, das liberale Judentum irgend etwas gegen den Messias hat und lieber von der messianischen Zeit für alle Menschen spricht. Vermutlich weil das irgendwie inklusiver klingt. Die Sache ist nur: Ich habe keine Ahnung, warum es so wichtig ist, ob der Messias oder eine messianische Zeit kommt. Ich kann mir auch unter einer messianischen Zeit ziemlich wenig vorstellen. Falls sie irgendwann kommt, sehen wir weiter.
Irgendwie denke ich wohl tatsächlich über den Messias oder dieses ganze Messias-Zeugs wie die die Nordrhein-Westfalen in den Achtziger Jahren über die Wiedereinigung.Das Problem ist nur: Die Wiederverinigung ist doch gekommen. Dass sie den Nordrhein-Westfalen früher mal egal war, ändert daran nichts. Was bedeutet das jetzt für den Messias? Ich bin gespannt, was die Zukunft so bringt.

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