Auf dem Rückweg von der Karlspreisverleihung in Aachen lande ich in einer Anti-Israel-Demo. Und ich muss mich fragen : Ist es eine Antisemiten-Demo?
Von Gerald Beyrodt
Ich bin heute in Aachen bei der Karlspreisverleihung gewesen. Preisträger Pinchas Goldschmidt hat in seiner Rede immer wieder betont, dass Europa endlich mehr gegen Antisemitismus unternehmen muss.
Nicht nur er hat den Preis bekommen, sondern auch „die jüdischen Gemeinschaften Europas.“ Und wie geht es den Karlspreisträgern 2024? Sie „leben in Angst“, sagt Pinchas Goldschmidt.
Ich habe an der Fernsehkommentierung beim Karlspreis mitgewirkt, war Co-Moderator. Als die Verleihung vorbei war und ich meine Sachen gepackt hatte, kam ich mit meinem Koffer an der „propalästinensischen Demo“ vorbei, vor dem alten Aachener Kurhaus. Dort hat ein Redner gesagt, ein „Verbrecher“ habe den Preis bekommen.
Welche Verbrechen Pinchas Goldschmidt begangen haben soll, hat der Redner nicht gesagt. Dafür sagte er: Während in Gaza die Kinder verhungerten, lasse es sich sich Pinchas Goldschmidt in einem Aachener Fünf-Sterne-Hotel gutgehen.
Mir ist der Kausalnexus nicht wirklich klar. Kann man Menschen in Gaza retten, indem man in der Jugendherberge absteigt? Wenn ja, dann kann ich das beim nächsten Mal gerne tun. Diesmal habe ich im Motel One übernachtet.
Der Redner hat eine Opposition zwischen den hungernden Kindern in Gaza und dem Rabbiner aufgebaut, der es sich im Luxus angeblich gutgehen lässt. Interessante Variation auf das antisemitische Stereotyp vom geldgierigen Juden, der andere unterdrückt. Wir kennen das aus dem „Kaufmann von Venedig“.
Und dann fragte der Redner noch, warum das alles nicht bekannt sei. „Ich kann es euch sagen: wegen unseres zionistischen Systems.“ Er hätte auch sagen können: Die Medien sind verjudet. Möglicherweise haben Juden auch auf geheime Weise die Welt in der Hand. Er hat nur das Wort jüdisch durch „zionistisch“ ausgetauscht, und schon war der Antisemitismus bemäntelt.
Plötzlich fiel mir wieder Pinchas Goldschmidt ein, der in seiner Rede darauf hinwies, dass die Hamas diesen Krieg sofort beenden könnte.
Ich habe überlegt, ob der Redner auf der Demo nur antisemitische Stereotype abspult, oder ob er ein Antisemit durch und durch ist. Ich fand die Situation unerträglich, habe gedacht, dass ich nichts ändere, wenn ich weiter zuhöre, habe meinen Rollenkoffer genommen und zum Bahnhof getrottet.
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