In Berlin haben sich Kulturschaffende gegen eine Antidiskrimininierungsklausel gewehrt. Sie sollten darauf verpflichtet werden, dass Antisemitismus auf der Bühne und in der Galerie nicht zu suchen hat. Zuwendungsbescheide für Kulturprojekte sollten nur noch mit der Klausel verschickt werden. Berlins Kultursenator hat die Klausel zurückgezogen, es gebe rechtliche Probleme. In Schleswig-Holstein ist dagegen eine solche Klausel längst gültig. Inzwischen hat Berlins Regierender Bürgermeister nachgelegt: Man müsse eine solche Klausel in der Berliner Verfassung verankern. Auch dagegen gibt es Proteste.
Warum gibt es unter Kulturschaffenden eine so starke Gegenwehr gegen solche Klauseln? Ein Kommentar.
Von Gerald Beyrodt
Der Eindruck drängt sich auf: Viele deutsche Kulturschaffende wollen sich mit dem Thema Antisemitismus nicht auseinandersetzen. Sie empfinden das Thema als lästig. Besonders dann, wenn die Kritik am Antisemitismus mit wirksamen Sanktionen verbunden ist wie zuletzt bei den Berliner Vorstößen. Es spricht schon Bände, was die Kulturschaffenden aus Berlin und von anderswo so alles an Weltuntergangswörtern aufgefahren haben: Durch die Debatte geistern Vokabeln wie „Bekenntniszwang“ oder auch „Gesinnungsklausel“, im Text der 800 Kulturschaffenden darf das Adjektiv „undemokratisch“ nicht fehlen. Natürlich auch nicht der „Generalverdacht“ und das „Klima der Angst“ und die „Meinungsfreiheit“ . Solche Wörter waren in der Vergangenheit schon oft zu hören, und sie werden wohl leider auch künftige Debatten prägen. Die Kulturschaffenden tun so, als wäre es eine Zumutung, sich nicht antisemitisch äußern zu dürfen und als wäre Antisemitismus eine Meinung, die etwas im demokratischen Spektrum zu suchen hätte.
Empathie vor allem für sich selbst
Die Empathie gilt nicht etwa Jüdinnen und Juden, die wirklich weltweit Angst um ihr Leben haben müssen, wenn die Hamas Tage der Wut ausruft. Sie gilt auch nicht jüdischen Kindern, die Angst haben müssen, auf dem Schulhof in Deutschland bespuckt zu werden. Die Kultusschaffenden meinen mit dem „Klima der Angst“ die Stimmung im Museum oder Theater. Sie haben vor allem Empathie für sich selbst: für ihre eigenen zarten oder weniger zarten Künstlerseelen, und sie suhlen sich im Selbstmitleid.
Eines ist offensichtlich. Kunst und Kultur haben ein Antisemitismusproblem. Die manifest antisemitische Bildsprache auf dem Wimmelbild des Kollektivs Taring Padi war nur die nur der alleroffensichtlichste Fall bei der Documenta. Es gab auch zahlreiche weitere Fälle dort. Das Künstlerkollektiv Ruangrupa hat die Documenta kuratiert und war vor allem damit beschäftigt, das Problem herunterzuspielen. Mitglieder der Gruppe haben Kunstdozenturen in Deutschland bekommen. Außerdem fielen Mitglieder von Ruangrupa durch Solidaritätsbekundungen mit der Hamas nach dem Überfall auf Israel auf.
Am liebsten gar nichts tun
Was wollen Kunst und Kultur wirksam gegen Antisemitismus in ihren Reihen unternehmen? Zu dieser Frage herrscht langes Schweigen im Walde. Kunst und Kultur könnten Vorschläge machen. Tun sie aber nicht. 800 Kulturschaffende haben die Antisemitismusdefinition bemäkelt, die der Berliner Kultursenator zugrunde gelegt hat. Sie behaupten zwar, dass sie gegen Antisemitismus sind. Aber wie sie Antisemitismus auf der Bühne oder in der Galerie verhindern wollen, sagen sie nicht. Es ist auch bequemer, wenn man gar nichts tut. Auf das offenbar mühsam abgerungene Bekenntnis gegen Antisemitismus folgt sehr schnell ein Aber: gegen welche Formen von Menschenfeindlichkeit man noch und offenbar viel dringender eintreten müsse. Die „Ja, aber“-Haltung ist leider typisch für den deutschen Kulturbetrieb.
Wenn Kulturinstitutionen weniger bräsig wären, dann wären Klauseln möglicherweise unnötig. So aber muss die Gesellschaft darüber nachdenken, dem Antisemitismus in Kunst und Kultur einen wirksamen und rechtssicheren Riegel vorzuschieben. Von alleine tun es die Kulturschaffenden nicht.
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