Eines der wichtigsten Wörter in der hebräischen Bibel dürfen Jüdinnen und Juden nicht aussprechen, den Namen Gottes. Praktisch: Heutzutage weiß kein Mensch mehr, wie er in alter Zeit geklungen hat. Verbote, die man gar nicht übertreten kann, finde ich toll.
Von Gerald Beyrodt
Es gibt Jobs, die stelle ich mir unendlich öde vor. Zum Beispiel haben Forschende nachgezählt, dass ein bestimmtes Wort in der hebräischen Bibel 6828 Mal vorkommt. Ich hätte mich ja spätestens beim 6827. Mal verzählt und laut geflucht. Auch im jüdischen Gottesdienst kommt das Wort andauernd vor. Wie oft, weiß ich nicht. Weil die Forschenden dazu nichts sagen. Offenbar waren sie vom Bibeldurchzählen schon ganz erschöpft und hatten keine Lust mehr, sich das jüdische Gebetbuch vorzunehmen. Wie das Wort heißt, kann ich nicht sagen, aber die Buchstaben für JHWH oder Yud Hey Waw Hey kommen drin vor. Warum ich das nicht sagen kann? Weil es im Judentum ein Namenstabu gibt. Es ist verboten, dieses Wort auszusprechen. Also mit Vokalen auszusprechen. JHWH ist eine unaussprechliche Konsonantenkombination wie xlpz. Praktischerweise weiß auch kein Mensch mehr, wie das Wort in alter Zeit ausgesprochen worden ist. Sünden, die man nicht so recht begehen kann, finde ich am besten.
Alles andere sind Berufsbezeichnungen
Ein Wort, das 6828 Mal in der Bibel und unzählige Male im Gebetbuch vorkommt, nicht aussprechen dürfen, erhöht die Aufmerksamkeit. Einen so häufigen Begriff mit einem Tabu zu belegen, macht ihn noch wichtiger. Es gibt Gründe für den Spot. Denn das unaussprechliche Wort ist ein Gottesname. Nun gibt es andere Bezeichnungen Gottes, die Juden ohne Probleme aussprechen dürfen. Elohim zum Beispiel. So heißen die Götter anderer Völker auch. Man kann die biblischen Geschichten so interpretieren: Alles andere sind Berufsbezeichnungen, das J-Wort ist sein Eigenname.
Dauernd Beziehungskrisen
Es ist nicht so, dass keiner nach dem Namen gefragt hätte. Als Mose zum Beispiel von Gott den Auftrag erhält, das Volk aus Ägypten in die Freiheit zu führen, hat er a nicht so richtig Lust und will b den Namen seines Auftraggebers wissen. Das kann man verstehen, jeder Paketbote würde das auch so machen. Doch Gott antwortet schlicht: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Möglicherweise ist das die biblische Version von: „Frag nicht so doof.“ Möglicherweise heißt es auch: „Meinen Namen sage ich nicht. Und wer ich bin, merkst du erst in der Zukunft.“ Dann haben Gott und das Volk Israel eine Beziehung und andauernd Beziehungskrisen.
Man soll sich von Gott auch kein Bild machen. Vielleicht hat er ja auf Passfotos immer so blöde Grimassen gezogen, dass er die Bilder gleich verboten hat. Wahrscheinlicher aber: Dieser Gott ist nicht zu fassen. 6828 Mal kommt der Name vor. Doch die Geschichte ist nicht auserzählt. Sie kommt an kein Ende, sondern an immer neue Anfänge. Wie viele Anfänge genau weiß ich nicht. Aber 6227 sind es bestimmt.
(geschrieben 2022)
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