Alles wieder gut

Von Gerald Beyrodt

Neulich wollte ich mal wissen, was jüdische Meditation sein soll. Ich habe bei Mediation immer an Fernost gedacht, Himalaya und buddhistische Mönche, und eher nicht an Nahost, Judentum und Talmud. Jedenfalls habe ich mich am Computer in eine Meditation zum jüdischen Neujahrsfest der Bäume geschaltet.
Es ging los mit Atmen. Das war schon mal gut. Atmen kann ich seit meinem ersten Lebenstag. Meditationstrainerin Julie hat gesagt, wir sollten beobachten, wo im Körper wir unseren Atem spüren. Bei mir war das die Nase und außerdem der Bauch. So richtig gut meditieren konnte ich nicht auf meinem Schreibtischstuhl vor dem Desktop, zumal ich geblinzelt und auf das Zoom-Bild geschaut habe, aber das mit dem Atem war o.k.

Die jüdisch-amerikanische Meditationstrainerin Julie sagte, jetzt beim Neujahrsfest der Bäume würde ja der „sap“ besonders aktiv sein. Auch wenn wir uns in kalten Gefilden bewegten, wenn das alles noch etwas ferner sei, sollten wir uns den „sap“ einfach vorstellen. Sap, sap, sap. Und ich wusste nicht, was das sein sollte. Während also die jüdische-amerikanische Meditationstrainerin weiter vor sich hin sap-te, habe ich in einem Online-Lexikon nachgeschlagen. „Sap“ zu Deutsch: der Totschläger. Das konnte ich mir nicht denken, dass Julie zum Neujahrsfest der Bäume eine Totschläger-Meditation anbietet. Ach so, Bedeutung 4, Pflanzensaft, aha. Und Bedeutung 7, Lebensmark, hochinteressant.
Julie meinte dann, wir sollten an den zirkulierenden „sap“, Lebenssaft der Bäume denken und an unseren eigenen Lebenssaft. und dazu an den Atem. Also wie jetzt? Was jetzt? Baumsaft, mein Lebenssaft und dann auch noch mein Atem: diese jüdische Dreifaltigkeit war mir echt zu viel. Meine Konzentration war hinüber. Offenkundig hatte ich auch zuviel im Internet umhergezappt. An meinen Fähigkeiten in jüdischer Meditation muss ich dringend noch arbeiten. Aber vokabeltechnisch stehe ich voll im Saft.