Jesus popelt nicht

Avatar von jakob68

Eine Glosse von Gerald Beyrodt

Jeden Morgen wache ich mit einer extrem verstopften Nase auf. Jeden Morgen beim Inhalieren muss ich an die Worte des jüdischen Morgengebets denken.

„Gesegnet seist Du Ewiger, unser Gott, König der Welt, der den Menschen mit Weisheit geformt und an ihm viele Höhlungen geschaffen hat.“

Juden bedanken sich jeden Morgen bei Gott dafür, dass der Körper Löcher hat. Jeden Morgen beim Inhalieren finde ich das extrem sinnvoll.

Christen reden irgendwie nie von Körperlöchern. Jedenfalls weder in der christlichen Bibel noch im Vaterunser noch im Glaubensbekenntnis von Körperöffnungen die Rede. Bei Jesu Geburt hätte ein Hinweis auf die Körperöffnungen doch wirklich nahe gelegen. Wo das Christuskind doch so schön in Windeln gewickelt war.

Ohne Körperlöcher keine Windeln. Aber das war vermutlich nicht der Schwerpunkt der Geschichte. Da sollte es um weniger praktische Dinge gehen. Messias, Weltenrettung und solches Zeug.

Vielleicht hat das alles damit zu tun, dass auch nicht überliefert ist, dass Jesus jemals gepopelt hätte. Weder vor noch nach der Bergpredigt. Wer nicht popelt, übersieht vielleicht die Vorzüge der Körperlöcher. Auch bei Letztem Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung: kein Hinweis auf die Löcher. Löchermäßig klafft im Neuen Testament – ein Loch.

Warum haben es die einen so mit den Löchern und die anderen nicht? Ich finde, über diese Frage sollte man echt mal fünf bis zehn Tagungen anbieten mit fünf bis zehn flugs veröffentlichten Sammelbänden. Bis es so weit ist mit Tagungen und Sammelbänden und so weiter, möchte ich mal eine Hypothese aufstellen: Judentum ist einfach die körperlichere Religion und spart auch die weniger appetitlichen Seiten des Körpers nicht aus. Einer unser wichtigsten Religionsphilosophen, Maimonides, war gleichzeitig Arzt.

Jüdischer Alltag ist von Segenssprüchen durchsetzt. Wenn wir einen Regenbogen sehen, eine Todesnachricht hören, eine Mahlzeit genießen, uns die Hände waschen. Immerzu sollen wir Segenssprüche sprechen. Wir loben Gott, dass er das Brot hat aus der Erde wachsen lassen oder dass er uns diesen Moment des Lebens hat erreichen lassen. Segenssprüche über Segenssprüche.

Auch wenn wir vom Klo kommen, sollen wir uns bedanken, dass alles so schön geklappt hat. Vermutlich soll man diesen Segensspruch auch sprechen, wenn es auf dem Klo nicht ganz so schön geklappt hat. Während alle anderen Segenssprüche an Gott direkt gehen, richtet sich der Klo-Segen an die Engel. Es gibt Dinge, mit denen kommt man dem Boss nicht. So viel Pietät muss dann doch sein, auch im Judentum.


Eine Antwort

  1. Leopoldo Lipstein

    Genial!

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